Nach 14 Jahren verabschiedete sich eines der prägendsten Festivals der deutschen Musiklandschaft: das Maifeld Derby. Zwischen Reitstadion, Palastzelt und Parcours-Areal durften wir vom 30. Mai bis 1. Juni noch ein letztes Mal in den musikalischen Ausnahmezustand eintauchen – mit einem Line-up, das dem Maifeld Derby mehr als gerecht wurde: liebevoll kuratiert, international, überraschend und emotional. Wir waren dabei und blicken zurück auf drei intensive Tage zwischen Indie, Avantgarde und Ekstase.
Freitag: Ein Auftakt voller Feinfühligkeit und Euphorie
Kate Bollinger eröffnete unser Maifeld 2025 mit zarter Eleganz. Ihre Mischung aus Dream-Pop und introspektivem Songwriting und amerikanische Folk war wohl der perfekte Einstieg. Mit warmem Gitarrensound, fließenden Rhythmen und ihrer charakteristischen, leicht verhauchten Stimme schuf sie einen sanften, fast intimen Raum in dem bis obenhin gefüllten Parcours D’Amour.

Von Kate Bollinger ging es dann schnell rüber zur Open Air Stage auf der wir die letzen Songs von Nand mitnehmen. Der hat das Maifeld ziemlich gut im Griff und haut mit Sommervibe einen perfekten Festival Song raus zum tanzen und viben. Dazu spielt er seine Trompete und sorgt einfach für ein gutes Festival Feeling.

Im Anschluss geht es ins richtig gut aufgeheizte Palastzelt zu Zimmer90. Die Stuttgarter Band knüpfte an das Set von Nand an, jedoch mit einer ganz anderer Energie. Ihr glitzernder Indie-Electropop brachte Tanzfieber – ein sphärisches Set, das verträumte Melancholie und 80s-Vibes charmant kombinierte. Ein klarer Beweis, dass Stuttgart mehr als Autos kann.

Donny Benét war ein Ereignis: funky Bass, Italo-Disco-Ästhetik und die wohl charmanteste Selbstironie des Festivals. Der Australier groovte sich im Retro-Anzug durch sein Set und ließ das Publikum schmunzelnd tanzen – ein Highlight für Fans von ironischer Coolness. Er selbst nahm sich auch nicht ernst und bezeichnete sich als der Vorzeige Typ mit Glatze.

Dann ging es zu unserem persönlichen Highlight ins Palastzelt. Warhaus alias Maarten Devoldere (Balthazar) zeigte, wie düsterer Crooner-Pop und sexy Melancholie zusammengehen. Sein Auftritt war rauchig, dramatisch, mit einem Hauch Film Noir.

Sein belgischer Soul für gebrochene Herzen geht mitten ins Herz der Maifeld Besucher. Die Band um ihn herum war großartig besetzt mit allen möglichen Instrumenten wie Trompete oder Violine und auch er selbst griff öfters zur Akustik Gitarre.

Eigentlich wollen wir nicht, dass sein Auftritt endet doch da wartete dieser geheime Headliner auf uns auf der Open Air Stage.

Schon am Freitag Morgen wurde das Geheimnis vom Maifeld Derby selbst gelüftet. Die Füchse haben es sich schon am Abend zuvor denken können wer daswohl ist. Die Band packte da bereits ihre Sachen in den Tourbus und fuhr los.
Der Geheimact – Kraftklub ließ die Spannung knistern – und enttäuschte natürlich nicht. Wer hier war, weiß: Es war ein Moment zum Erinnern, einer dieser Derby-Augenblicke, bei dem man spürt, dass man genau am richtigen Ort ist. Auch wenn wir und viele andere uns Kraftklub nie so richtig auf der Maifeld Line-Up Bill vorstellen konnten, war es einfach ein einmaliges und besonderes Erlebnis. Das gesamte Festival war da und hatte wie auch die Band die Zeit ihres Lebens – laut mitsingen, tanzen und positiv ausrasten, loslassen – darum geht es doch oder.

Zaho De Sagazan stieg wie ein Sturm aufs Gelände. Ihre Performance im Palastzelt war eine Wucht aus französischem Chanson, elektronischen Beats und einer Stimme, die unter die Haut geht. Der Hype? Völlig gerechtfertigt. Auch wenn viele nach Kraftklub wohl gegangen sind – leider und Schade oder einfach nur Pech für euch.

Die super Sympathische Zaho De Sagazan fing sogar an einiger ihrer Textzeilen für uns ins englische zu übersetzten damit wir auch verstehen über was sie da so singt. Und wer sie verpasst hat, der hat tatsächlich wohl eine der aktuell größten und coolsten französischen Acts verpasst. Ein mega guter Auftritt der mit einem langen und energetischen Elektro Part endete.

DJ Koze rundete den Abend ab – und zwar in Ekstase. Sein Set war verspielt, hypnotisch und maximal tanzbar. Zwischen House, Samples und feinstem Sounddesign lieferte er einen Soundtrip der Extraklasse.

Samstag: Sonne, Synths & Sehnsucht
Hubertus Koch eröffnete für uns den Samstag. Eigentlich war alles anders geplant und wir standen bereits vor der Stage bei Dog Race in der Arena. Der kam es wie es der dunkle wolkenbehangne Himmel bereits ankündigte…

…alle mussten entweder ins Palastzelt oder unter das Dach des Parcours D’Amour. Unwetterwarnung. Hubertus Koch nahm es gelassen und las dann einfach weiter aus seinem aktuellen Roman „Lost Boy„. Das war dann doch ziemlich unterhaltsam und die Getränke flossen. Später konnte man ihn dann doch tatsächlich bei Salò und den Partys am feiern sehen wie er uns auch vorab ankündigte.
Alles war ein wenig nach hintern verschoben so auch King Hannah im Palastzelt. Die Briten schienen ein wenig Energielos – und ließen uns nur schwer in ihrer Slowcore-Melancholie versinken. Ihre düsteren Gitarrenwände, gepaart mit Hannah Merricks lakonischem Gesang, waren schon irgendwie hypnotisch und bedrückend schön aber irgendwie auch doch nicht so sehr, dass sie uns damit komplett abholten.

Am beeindruckendsten war für uns dann wohl doch das feuerrote Kleid welches alle Blicke auf sie zentrierte. Umso mehr freuten wir uns dann auf den nächsten Act draußen auf der Open Air Stage.

Die Höchste Eisenbahn brachten Herzlichkeit und lyrische Finesse. Zwischen Pop, Folk und ironischem Pathos zeigten Francesco Wilking und Moritz Krämer, wie sehr sie das Publikum lieben – und das Publikum sie. Es fühlt sich ein bisschen an wie ein angekommen sein. Es passt einfach alles.

Dann geht es kurz ins Zelt zu The Notwist und dann schnell rüber zu Salò in die Arena bei denen schon ordentlich was los war aber der Beginn verzögert sich leider extrem.
Was dann aber los war auf der Bühne – Extase pur die sich natürlich auch auf das Publikum übertrug. Vollgas!

Konstantin Gropper & Friends: Get Well Soon ist Derby-Stammgast – und der Auftritt fühlte sich fast familiär an. Das komplette Festival hatte sich natürlich im Parcours D’Amour zusammengefunden. Es war ein unausgesprochenes MUSS hier nochmal dabei zu sein.

Zwischen orchestralen Indie-Sounds, neuen und alten Songs wurde gelacht, und ja fast geweint und natürlich so gut es geht mitgesungen. Auch der Timo Kumpf (Maifeld Chef und der ehemalige Bassist von Get Well Soon) kam für ein paar Songs auf die Bühne.
Ein doch bewegender Abschiedsmoment.

Franz Ferdinand – was soll man sagen? Der Abriss war komplett. Die Band auf die wir uns am aller aller meisten freuten war an der Reihe. Das Palastzelt – randvoll. Es wurde mitgesungen nicht nur ein bisschen sonder richtig LAUT.

Die Indie-Rock-Titanen aus Glasgow rissen das Maifeld mit Take Me Out, Do You Want To und Co. kollektiv aus den Angeln. Laut, tight, euphorisch. Alex Kapranos ein Frontmann euphorisiernd, extrovertiert, elektrisieren, fordernd, nahbar und auch einmalig.

Er hat das Publikum im Griff aber so richtig, das macht ihm keiner nach.

TUKAN schlossen die Nacht instrumental, aber nicht minder intensiv. Die belgische Band lieferte ein Set zwischen Jazz, Elektro und Groove – ein Spät-Nacht-Rausch für Körper und Kopf. Und wird tanzten und tanzten und fielen dann völlig erschöpft ins Bett.
Sonntag: Melancholie, Magie und ein letzter Tanz
Deadletter im Palastzelt war unsere erste Anlaufstelle auch wegen der knallenden Sonne. Alter was ist das denken wir uns. So viel Energie zu so früher Stunde und an Tag drei wie ist das machbar?

Aber es geht – irgendwie. Mosphpits und mit Zac Lawrence ein Frontmann der alles gibt. Rein ins Publikum und alles rauslassen – alle zusammen. Wie bei einer Punk Messe eben an diesem Sonntag Nachmittag auf dem Maifeld Derby.

Das energiegeladene Set spricht sich rum und das Zelt ist richtig voll geworden. Richtig gut.

Porridge Radio eröffneten den finalen Festival-Tag auf der Open Air Bühne mit bittersüßer Wucht. Dana Margolins Stimme zerschnitt die warme Luft mit brutaler Ehrlichkeit – ein Set zwischen Noise, Pop und Herzschmerz.

Drangsal brachte eine willkommene Portion Wahnsinn. Charmant, chaotisch und mit Hang zur großen Geste, riss Max Gruber die Crowd mit – ein weiterer kleiner Exorzismus am Sonntagnachmittag. Sein neues Album Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen kommt bald und im Herbst geht er auch auf Tour damit. Wir freuen uns.

Efterklang entführten mit skandinavischer Eleganz in träumerische Soundlandschaften. Zwischen Elektronik, Orchester und Post-Rock-Momenten war ihr Set ein schwebender, emotionaler Trip. Die Dänen so positiv und einfach nur wie sollen wir es beschreiben „so lieb“ und „nett“ aber wirklich unfassbar positiv gemeint.


Zum Abschluss kam die Band dann noch runter mitten ins Publikum und gab ein kleines Akustik Konzert – einfach nur wunderschön und ein Moment den wir alle so schnell nicht vergessen werden und immer in unserem Herzen tragen.


Olli Schulz – der alte Bekannte, Entertainer, Melancholiker und Quatschkopf in einem – lieferte ein Set voller Charme und bekannten Hits.

Wir entschieden uns aber, schnell rüber zu Getdown Services zu wechseln, die mit funky Dance-Punk und britischem Witz das perfekte Gegenprogramm boten. Und richtig abgingen wir tanzten und pogten und sangen lauthalts mit zu dem kurz angestimmt Cover von I’m Gonna Be (500 Miles) von The Proclaimers.


Nilüfer Yanya brachte die Bühne mit ihrem unverkennbaren Mix aus Soul, Indie-Rock und Alternative-Pop zum Vibrieren. Ihre Stimme: einzigartig. Ihre Präsenz: durchdringend. Eine der faszinierendsten Künstlerinnen des Wochenendes auch wenn der Auftritt nicht ganz so mitreißend war wie die ihrer britischen Kollegen Deadletter und Getdown Services die uns wirklich weghauten.

Bilderbuch wollten den letzten großen Derby-Höhepunkt setzen – und brachten Glitzer, Glamour und Groove.

Wisst ihr noch damals als Bilderbuch Mittags auf der Open Air Bühne gespielt haben? Das war mega.

Inzwischen sind die Österreicher mega erfolgreich aber doch nicht so kommerziell und sie passen in keine Schublade und Frontmann Maurice sagte es richtig, dass sie eigentlich wie gemacht sind für solche eigenständigen Festivals wie das Maifeld Derby die Platz für alle Genres bieten. Und wir alle dafür kämpfen und einstehen müssen, dass solche Räume bleiben.

Zwischendurch gehen wir kurz mal rüber in die Arena wo zeitgleich Fat Dog spielen. Mit wilder Energie, Noise-Explosionen und einem anarchischen Set sind die Briten wohl die Underdogs der Herzen.

Wir entschieden uns für den Wahnsinn – und wurden belohnt. Eine Runde Mospits, Pogen, Extase, kreischende Instrumente.

Dann ging es schnell wieder zurück ins Zelt zu Bilderbuch die die letzten Töne auf dem Maifeld Derby spielen durften. Spliff – großer Applaus und so endet das Maifeld Derby erstmal für immer.

Ein letztes Mal Derby-Glück
Was bleibt, ist ein Gefühl: Das Maifeld Derby war nie nur Musikfestival. Es war eine Haltung, eine Atmosphäre, ein Ort für Entdeckungen und Emotionen. Mit dieser letzten Ausgabe verabschiedet sich ein Herzensfestival – aber es hinterlässt eine unvergessliche Playlist in unseren Köpfen und Herzen.
Danke, Maifeld. Für alles.
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