Wenn eine Band wie The Murder Capital nach München kommt, ist das kein Konzert – es ist ein Ereignis. Am 08. Mai verwandelte sich das Hansa 39 im Feierwerk im Rahmen ihrer Blind Faith, Loud Love Tour in einen brodelnden Hexenkessel emotional aufgeladener Klangwände, düsterer Poesie und atemloser Energie.
Die fünf Iren aus Dublin bewiesen erneut, dass sie zu den packendsten Live-Acts gehören, die die europäische Post-Punk-Szene aktuell zu bieten hat.
Bereits beim Betreten der Venue spürte man: Dies würde kein gewöhnlicher Abend. Die Luft war elektrisch aufgeladen, das Publikum – eine bunte Mischung aus langjährigen Fans und neugierigen Newcomern – drängte sich erwartungsvoll bis an den Bühnenrand. Auch wenn offiziell nicht ausverkauft, war kaum noch ein Fleck auf dem Boden zu finden, der nicht von einem Paar Füßen besetzt war.
Doch zuvor traten Hex Girlfriend auf, zwei Jungs Noah Yorke (ja echt jetzt der Sohn von wtf Thom Yorke) und James Knott, die zusammen musikalisch experimentieren. Der eine an den Drums und der andere James, mit dem Bass. Der Experimentierfreudige Sound mal Pop mal Rock und irgendwie alles mögliche mit viel verzerrter Stimme. Das macht Spaß und kommt gut an und passt hervorragend als Opener des Abends.

Mit The Fall, dem eröffnenden Track ihres neuen Albums Blindness, starteten The Murder Capital furios. Die Mischung aus brachialem Gitarrengewitter und abrupten leisen Passagen, getragen von James McGoverns eindringlicher Stimme, trifft mitten ins Herz. Im Gegensatz zur Studioaufnahme wirkte der Song live noch roher, aufwühlender – ein emotionaler Schlag in die Magengrube, wie es nur Live-Musik schaffen kann.

Im Laufe des Abends reihten sich fast alle Songs von Blindness nahtlos aneinander: Moonshot explodierte regelrecht vor Energie, Swallow überraschte mit seinem subtilen Aufbau und That Feeling wurde mit seinem reduzierten, fast hymnischen Aufbau zum Gänsehautmoment. Besonders Death of a Giant, eine Hommage an Shane MacGowan, stach mit seiner Mischung aus Trauer und Triumph hervor und brachte die Halle für einen Moment in andächtiges Schweigen, bevor ein kollektiver Applaus das Gefühl wieder in Bewegung setzte.

Natürlich wurden auch ältere Fanlieblinge wie Feeling Fades, Ethel oder Don’t Cling to Life gespielt – Songs, die das Publikum aus voller Kehle mitsang, fast schon ekstatisch. Gerade The Stars Will Leave Their Stage zeigte, wie sehr sich die Band weiterentwickelt hat: Der leicht tremolierte Gitarrensound wirkte live fast radioheadesk, ohne dabei an Eigenständigkeit zu verlieren.

Dazwischen richtet McGovern doch ein ernstes Wort ans Publikum vor allem an die Jüngeren die sich auf ihr eigenes Gefühl verlassen sollen und nicht den Alten folgen sollen. Und dann Sprach er sich noch für Palestine aus und es folgten Rufe im Publikum.

Besonders hervorzuheben ist auch das Zusammenspiel der Bandmitglieder: Gabriel Paschal Blake am Bass, trotz augenzwinkernder Anekdoten über durchlebte Lebensmittelvergiftungen, als ruhendes Kraftzentrum. Diarmuid Brennan an den Drums, mal wild, mal präzise – immer auf den Punkt und so nass geschwitzt, dass er sich das Shirt ausziehen muss. Damien Tuit und Cathal Roper, die zwischen Gitarren, Synthesizern und Tasteninstrumenten wechselten, als wäre es das Normalste der Welt. Sie alle ließen James McGoverns charismatische Bühnenpräsenz noch mehr strahlen – irgendwo zwischen Rockstar-Attitüde, irischer Bodenständigkeit und emotionaler Nahbarkeit. Wenn es besonders wild wird hielt er zwei, dreimal stützten die Hand eines Mädchens in der ersten Reihe.

Und dann waren da noch Ethel und Words Lost Meaning, der finale Song – reduziert, fast minimalistisch, aber von einer solchen Wucht im Ausdruck, dass man die Stille nach dem letzten Ton körperlich spürte. McGovern legte das Mikro nieder. Kein wortreicher Abschied, nur ein Moment, der für sich sprach.

The Murder Capital haben in München eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum sie derzeit eine der relevantesten Gitarrenbands Europas sind. Blindness ist ihr bisher stärkstes Werk, und live gewinnen die Songs noch einmal an Tiefe und Dringlichkeit. Wer sie in dieser noch vergleichsweise intimen Umgebung erleben durfte, wird in ein paar Jahren mit Stolz sagen: Ich war damals dabei – als The Murder Capital das Hansa 39 in Grund und Boden gespielt haben.
Die Setlist von The Murder Capital in München:
01. The Fall
02. More is Less
03. Death of a Giant
04. The Stars
05. Heart in the Howl
06. A Distant Life
07. A Thousand Lives
08. That Feeling
09. Swallow
10. Love of Country
11. Green & Blue
12. Feeling Fades
13. Moonshot
14. Don’t Clinge to Life
15. Can’t Pretend to know
16. Ethel
17. Words Lost Meaning
Mehr zu The Murder Capital

