Wer gestern Abend in der bis auf den letzten Platz gefüllten Stuttgarter Schleyerhalle stand, der spürte mehr als nur Basswellen im Brustkorb. Die famosen Stoner-Rock-Royalisten Queens of the Stone Age um ihren unerschütterlichen Frontmann Josh Homme zelebrierten ein mitreißendes Konzert – und trotzten dabei nicht nur der schweren Vergangenheit, sondern auch den akustischen Tücken der Halle mit beeindruckender Klasse.

Im Vorprogramm: So Good, sie ist eine Punk Princess mit Haltung und Hunger. Als um 20:00 Uhr das Licht gedimmt wird und eine zierliche Gestalt im roten Latex-Top und mit verratztem Eyeliner die Bühne betritt, ist die Aufmerksamkeit sofort da. Kein schüchternes Hallo, kein langes Vorspiel – ein Feedback heult auf, ein Beat knallt los, und So Good, die selbsternannte Punk Princess aus der Post-Patriarchy, reißt Stuttgart in wenigen Minuten aus der Lethargie des Vorbands-Gefälligkeiten-Modus.
So Good, eigentlich Nina Vehl, kommt aus London, lebt aber angeblich „im Internet und auf Bühnen, sonst nirgends“. Ihre Musik ist ein roher Cocktail aus Garage Punk, Electroclash, Riot Grrrl und einer Prise Synthie-Trash – irgendwo zwischen Yeah Yeah Yeahs, Peaches, Le Tigre und frühen The Kills. Ihre Stimme kratzt, kreischt, verführt, ihr Gitarrenspiel ist minimalistisch, aber effektiv. Kein Ton zu viel – aber jeder sitzt.

So Good © About Musïc | Stephanie Bauer

Mit Tracks wie Trash Me Gently, Lipstick Riot und dem feministischen Rant God is a Girl with a Knife schleudert sie dem Publikum ihre Agenda entgegen: Empowerment, Ekstase, Eskalation. Dass sie dabei auch noch unfassbar charismatisch ist, hilft – aber es ist vor allem ihre Energie, die hängen bleibt. Zwischen den Songs flucht sie charmant, ruft zur Revolte auf, fordert „mehr Schweiß, weniger Smartphone“ – und bekommt: Applaus, Respekt, Bewegung.

Was bereits im Vorfeld als emotionale Etappe ihrer aktuellen The End Is Nero Tour absehbar war, bestätigte sich auf der Bühne mit jedem Song: Dieses Konzert war weit mehr als ein weiterer Tourstopp – es war ein Statement.

Wenn Josh Homme nach fünf Songs in die Menge ruft, wie glücklich er sei, „hier zu sein“, dann klingt das nicht nach Bühnenfloskel – sondern nach persönlichem Triumph. In den letzten Jahren verlor der Mann mit der laszivsten Hüfte des Hard Rock nicht nur enge Freunde wie Mark Lanegan, dem er den Song In the Fade widmet, sondern kämpfte sich auch aus einer Krebserkrankung zurück – inklusive einem legendären Akustik-Set in den Katakomben von Paris mit 40 Grad Fieber, das zur Notoperation führte und die Tour 2024 jäh unterbrach.

Dass Homme heute Abend in Stuttgart wieder auf den Beinen steht, Gitarre spielt, singt und lacht – das ist nicht selbstverständlich. Und genau diese Gratwanderung zwischen Endlichkeit und Eskapismus macht die End Is Nero-Tour so besonders.

Queens of the Stone Age © About Musïc | Stephanie Bauer

Die Schleyerhalle, bekannt für ihre akustische Sperrigkeit, droht zunächst auch diesen Abend zu sabotieren. Die ersten Songs – darunter das brachiale Song for the Deaf und das immer wieder elektrisierende Regular John und Sick, Sick, Sick – leiden spürbar unter dem hallenden Soundteppich. Viele im Publikum zücken kurz ihre Smartphones – und stecken sie fast ebenso schnell wieder weg. Zu matschig, zu dumpf oder doch zufassend alles.

Doch die Band, seit jeher Meister im stilistischen Spagat zwischen Metal-Riff und Funk-Groove, findet ihren Weg. Songs wie Smooth Sailing und Misfit Love retten den Abend. Josh Homme tanzt, schlingert, redet charmant-unverschämt ins Mikro: Er sollte heute besser nicht zu viel reden weil er zu stoned ist. Aus verhaltenem Interesse wird kollektive Ekstase.

Queens of the Stone Age © About Musïc | Stephanie Bauer

Was dann folgt, ist ein Hit-Feuerwerk sondergleichen:
Das bittersüße Make It Wit Chu trifft ebenso ins Mark wie das entfesselte Go With the Flow, das sich von Song zu Song immer weiter steigert. Spätestens bei Little Sister springt der Funke restlos über – dieser stoische Fels von einem Riff treibt die Menge vor sich her wie ein Lavastrom.

Auch tiefere Cuts wie Carnavoyeur oder No One Knows zeigen: Diese Band kann viel mehr als nur Stadionhits. Und trotzdem: Wenn der Schlusspunkt mit A Song for the Dead gesetzt wird, bleibt der Eindruck eines Abend, der mit maximaler Energie den Tod auslacht – und das Leben feiert.

Queens of the Stone Age © About Musïc | Stephanie Bauer

Queens of the Stone Age in Stuttgart – das war kein perfektes Konzert. Aber ein bewegendes und ziemlich lautes. Eines, das seine Schwächen mit Power überwindet. Josh Homme hat aus der eigenen Dunkelheit ein Bühnenlicht gemacht, das heller strahlt als je zuvor. The End Is Nero mag als Memento Mori gedacht sein – heute Abend war es vor allem eine Einladung, noch mal alles rauszuholen, was der Rock’n’Roll-Körper hergibt.

Die Setlist der Queens of the Stone Age in Stuttgart:

01. Regular John
02. Sick, Sick, Sick
03. Burn the Witch
04. My God is the Sun
05. Negative Space
06. In the Fade
07. Paper Machete
08. Time & Place
09. I Sat by the Ocean
10. Go With the Flow
11. Mexicola
12. Kalopsia
13. Emotion Sickness
14. Carnavoyeur
15. Make It Wit Chu
16. Little Sister
17. No One Knows
18. A Song for the Dead

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